Ihr seid zwar mit Elan an die Wikirace-Aufgabe heran gegangen und Eike hat für das Kerze-Heftzwecke-Pinnwand-Rätsel mehrere interessante Lösungen bereit gestellt – aber ihr scheint immer recht zielgenau den ‘ernsten’ Fragen, z.B. letztens nach den medial ‘verspielbaren’ Eigenschaften von z.B. Texten, Büchern, Filmen etc. – aus zu weichen… 😉
Vielleicht klappt es diesmal…
Noch ein Spiel
Besorgt euch zuerst einen kleinen Satz folgender klassischer Spielmaterialien (zu zweit oder in der Gruppe macht dies, wie üblich, mehr Spaß…).
- Ein paar Würfel
- Ein paar Bleistifte
- Ein paar Spielpöppel
- Ein paar Zettel
- Ein paar Streichhölzer
- Ein Paket Spielkarten
- (bei einer ‘7’ optional ein beliebiger Gegenstand, auf den euer Auge fällt)
Nun würfelt ihr oder sucht euch einen der sieben Posten aus.
Die Aufgabe ist nun: Wer findet die meisten ‘spielmechanischen’ Verwendungsmöglichkeiten heraus, die sich mit dem jeweiligen Material anstellen lassen?
Dies, ebenso wie die Aufgabe mit der Kerze, den Heftzwecken und der Pinnwand, ist eine Übung zum divergenten Denken. Neue Spiele entstehen sehr selten als völlig neue Kombination von noch nie dagewesenen Mechaniken und Narrationen, sondern sind fast immer Abwandlungen, Entwicklungen, Erweiterungen von bestehenden Spielen:
“A new card game starts in a small way, either as someone’s invention, or as a modification of an existing game.”
– Wikipedia (2011): “Card Game”
Was sich mit Würfeln, Karten, Hölzchen machen lässt, lässt sich potenziell mit jedem anderen Gegenstand, Konzept, Prozess oder System (in steigendem Schwierigkeitsgrad) anstellen: Der Versuch, in einem üblicherweise monofunktionalen Gegenstand Spieleigenschaften zu entdecken!
Nächste Spielstufen: Versucht die Übung mit
- einem Objekt aus eurem Haushalt
- einem Objekt im öffentlichen Raum (z.B. Urban Golf)
- einem Objekt im Internet (z.B. Wikirace)
- einem absolut beliebigen ‘Objekt’, ein Körperteil, ein Sinn, ein Schnipsel 16mm-Film, einer Politikerrede, einem Abenteuerroman, einer Kriegserklärung etc.
- …
Kinder haben da gewisse Vorteile gegenüber Erwachsenen – einerseits sind die Schemata, nach denen Objekte in ihren Funktionen eingeordnet werden, noch nicht so ausgeprägt, andererseits ist genügend Zeit zum Spielen da…
“A high school teacher drew a dot on the blackboard and asked the class what it was. “A chalk dot on the blackboard,” was the only response. “I’m surprised at you,” the teacher said. “I did this exercise with a group of kindergartners and they thought of fifty different things it could be: an owl’s eye, a squashed bug, a cow’s head. They had their imaginations in high gear.” As Picasso put it, “Every child is an artist. The challenge is to remain an artist after you grow up.””
– From the “Creative WhackPack”-Card “Think like a kid”
Oder wissenschaftlich betrachtet:
“In einer Untersuchung von GLASBERG (1975) beschenkte man Kinder unter zwei Versuchsbedingungen mit Spielzeug. Einmal waren die Spielsachen thematisch miteinander verwandt (Schaufel, Harke und Wasserkanne), im anderen Fall hatten sie keine Beziehung zueinander (Schaufel, Boot und Telefon). Eine dritte Gruppe fungierte als Kontrollgruppe, sie malte und zeichnete in der gleichen Umgebungsanordnung. Unter der zweiten Versuchsbedingung machten die Kinder mit den thematisch nicht verwandten Spielsachen signifikant mehr ungewöhnliche Vorschläge zum Gebrauch der Schaufel als die Kinder unter der ersten Versuchsbedingung. Daraus schloß GLASBERG: Wenn man nichtverwandte Spielsachen den miteinander verwandten Spielsachen gegenüberstellt, dann erleichtert die Darbietung von nicht miteinander verwandten Spielsachen das ideenreiche Verhalten und bringt als Folge davon divergentes Denken hervor. Waren die Spielsachen Teil einer bekannten Thematik, dann veränderten diese vier- bis sechsjährigen Kinder nicht deren Identität. Waren nicht alle Dinge einer Thematik zugeordnet, dann änderten die Kinder deren Identität, um sie für sich in eine Art von Beziehung zu bringen. Das ist vielleicht ein Beispiel für das, was PIAGET “verzerrende Assimilation” genannt hat.”
– Brian Sutton-Smith (1977): “Dialektik des Spiels. Eine Theorie des Spielens, der Spiele und des Sports.”, S.77
Film- und Lesetipps:
- Ken Robinson, “Changing Education Paradigm”

Ab 7:37 geht es um divergentes Denken… ähnlich wie hier ab 0:43 (“Dead Poets Society”). Ein Tisch kann mehr sein als nur ein Tisch.

- Markus Montola et al. (2010), “Pervasive Games”
- Brian Sutton-Smith (1977), “Die Dialektik des Spiels”, 43-64
Ich würfle… (klacker-klicker-würfelt)… eine Zwei.
Bleistifte!
Für Bleistifte z.B. fällt mir ein:
Als kleine Absteckmarkierung als Tor oder Ziel im Garten
Als Wurfmittel, um ein weiches Ziel zu treffen und stecken zu bleiben
Als rollender sechsseitiger Ersatzwürfel (jede der sechs seiten erhält eine bis sechs kleine Rinnen eingenagt)
Als Baumaterial für Türme oder Wackelkonstruktionen (Mikado)
Als Geräuschmittel (zwei Stück), um klickernde Laute zu erzeugen
Als winziger Balancierstab, den man aufrecht oder waagerecht auf der Fingerkuppe im Gleichgewicht halten muss (Hindernisparcour!)
Als Text für Feinfühligkeit, um die aufgeprägten Marken- und Farbenbeschreibung zu ertasten
Als Schnippsprojektil, das vom Boden möglichst weit weggeschnippst werden muss
Als Zielwurfmittel, wobei der Stift nur bis zu einer bestimmten markierten Stelle rollen darf
Als Flaschendreh-Kreisel, der in eine bestimmte Richtung (oder auf eine bestimmte Person) zeigt
Als Schienen oder Randbegrenzungen für kleine Straßen, Wege, Murmelbahnen
Hintereinander parallel gelegt für die Markierung von Sprung-Spielfeldern (wie bei Himmel&Hölle z.B.)
Bei bunten Stiften als Markierung, die man berühren muss, ähnlich wie bei “Twister”
Als kleine Wippe (zwei Stifte) um einen dritten Stift zielgenau irgendwo hin zu schnippen
Als umstoßbare Markierung (drei Stück als Dreibein zusammen gestellt), die man mit einem weiteren Stift treffen muss
Unterschiedlich lange Stifte als Knobelstäbchen
Stifte in verschiedenen Farben als Gruppen- oder Paarfindungsmarkierung
In massiver Anzahl um heraus zu kriegen, wieviele Stifte man in einer Hand transportieren kann
…?
Als Pfeil um eine Richtung zu markieren (neu!)
Ein wenig geschummelt, weil man dafür noch andere Materialien (z.B. Papier) benötigt:
Als Schreibmittel, um Worte oder Ziffern aufzuschreiben
Als Spurmittel, um ununterbrochene oder durchbrochene Linien aufzuzeichnen
Als randomisierendes Seitenauswahlwerkzeug (Stift irgendwo hinein stecken) bei Büchern
Als kleines Queue für Murmeln
Aufgebaut in verschiedenen ‘Stockwerken’ als Balancierstrecke für Spielpöppel
Parallel gelegt als schrittweise entfernbare Abdeckung für Texte oder Bilder (zum Raten)
…?
Ich bin mir sicher, euch fallen noch mehr Verwendungen ein!
Hallo,
Wir haben uns ein Spiel zu den 7 Spielmaterialien ausgedacht.
Die Spielmaterialien sind:
1) 1 Würfel
2) 2 Spielpöppel
3) Streichhölzer
4) Spielkarten ohne Dame, Bauer, König
5) 2 Zettel
6) Bleistifte
7) Spielmonster
Die Spielkarten sind zu einem viereckigen Spielfeld ausgelegt. Die 2 Zettel werden als Ereignisfelder innerhalb dieses Spielfeldes benutzt. Die Bleistifte dienen als Brücken zwischen den Spielfelder. Das Monster wird auf ein beliebiges Spielfeld gesetzt. Die Streichhölzer befinden sich in der Mitte des Spielquadrats.
Ziel des Spiels ist es, 11 Streichhölzer zu ergattern.
Wenn ein Spieler dran ist, führt er seinen Zug aus. In einem Zug wickelt der Spieler folgende Schritte ab:
– würfeln und die Figur bewegen,
– Streichhölzer nehmen und zurücklegen:
Wieviele Streichhölzer man nimmt oder abgibt, hängt von der bedruckten Zahl auf der Karte ab. Erst wenn man 6 Streichhölzer ergattert hat, darf man erst welche abgeben.
Erreicht man ein Ereignisfeld, darf man entscheiden wieviele Streichhölzer der andere nehmen oder abgeben muss.
Kommt man aufs “Monsterfeld”, frisst das Monster all seine Streichhölzer.
Wer als erstes 11 Streichhölzer ergattert hat, hat gewonnen.
Viel Spaß beim Ausprobieren!
Marie und Sandy
Und was wäre es für ein Spiel geworden, wenn statt Bleistift, Spielkarte, Würfel, Streichhölzchen, Zettel und Pöppel – ein alter Autoreifen, Schnur, Ein Kilo getrocknete Bohnen, ein Stapel Zeitschriften, ein Universitätscampus und ein Professor die Spielmaterialien wären? 😉
Hier noch das Foto zu unserem Spiel:
http://edublog.me/spielalsmedium/files/2011/11/Monsterspiel.jpg
Das Photo ist ja lieb… 😉
Die Bleistifte haben die selbe Funktion wie Schlangen und Leitern, d.h. wenn man auf ein Bleistift-Ende-Feld kommt, *muss* man dem Bleistift folgen? Und auf den Ereignisfeldern kann ich meinem Gegner tatsächlich alle seine Streichhölzer abspenstig machen?
Finde ich eine gute Idee, dass eine genaue Zielzahl an Hölzchen erreicht werden muss…
Interessante Spielidee – und gut erweiterbar…!
Könntet ihr solche guten Ideen als Blogpost posten? Da kann man dann auch ein Bild mit einfügen…
Genau die Bleistifte haben die selbe Funktion wie Schlagen oder Leitern. Man kann jedoch selbst entscheiden ob man den Bleistiften folgt oder nicht. Gute Frage mit den Ereignisfeldern:) Wir haben uns jetzt überlegt, dass man einfach würfeln muss und die gewürfelte Zahl muss der Gegner an Streichhölzer abgeben.
S.& M.