Postal 2 – Spiel mit Tabus

Ich möchte hier kurz ein Spiel vorstellen, dass beinahe alles beinhaltet was bei Videospielen angefeindet wird: Übersteigerte Gewaltdarstellung, Ausdrücke, Rassismus/Diskriminierung, jede menge Klischees und Sexismus. Einzig bei Sexualität und Nacktheit wird, sofern überhaupt enthalten der Zensurstift angesetzt. Wahrscheinlich ist dies aber gewollt und Kritik an der amerikanischen Medienkultur, welche eine hohe Toleranz gegenüber Gewalt hat, aber im höchsten Maße brüde mit Sexualität umgeht.

  

Postal 2 ist eine Art openworld-sandboxgame und First-Person-Shooter (ähnlich GTA). Es wurde im Jahr 2003 von Running With Scissors (RWS) veröffentlicht.

Im Spiel muss man einfachste Aufgaben bewälltigen, wobei die Brutalität beim Spieler liegt. So kann sich der Spieler passiv und aktiv durchs Spiel bewegen. Er kann sich beispielsweise an Warteschlangen anstellen oder aber zur Waffe greifen um sich den Weg frei zu machen. Es wird dem Spieler schwer gemacht die überwiegend friedlichen Passanten nicht auszuschalten, denn diese beschimpfen den Protagonisten, drängeln vor, stehen im Weg oder provozieren allein durch deren arg überzeichnetes Auftreten 😉 Vorallem aufgrund einer Vielzahl an grenzwärtigen Handlungsmöglichkeiten, wie das anpinkeln, anzünden und verstümmeln wehrloser Personen ist das Spiel in einigen Ländern (zB. Deutschland) auf dem Zensur-Index. Postal ist eine Parodie auf die amerikanische Gesellschaft bzw. Kritik an dieser. Für jemanden der den Kontext von Postal nicht kennt oder begreift mag es durchaus gefährdend sein. Wer es  aber als Killerspiel verteufelt, tut dem Spiel meiner Meinung nach unrecht. Es ist sehr unterhaltend, wenn auch manchmal etwas eintönig.

Wer sich näher für das Spiel interessiert kann sich auf der (offiziellen?) Seite informieren: www.runningwithscissors.com . Oder auf http://de.wikipedia.org/wiki/Postal.

Postal hat immer noch eine sehr aktive Community und wurde sogar schon verfilmt. Wer Postal 2 oder Postal 3 erwerben möchte kann dies auch bei Steam tun.

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2 Responses to Postal 2 – Spiel mit Tabus

  1. Avatar photo Wey says:

    Danke für das Beispiel, Mario.
    Für die Hartgesottenen, bei Youtube gibt es eine Demonstration des Spiels.

    Was ich sehr erstaunlich finde, ist die Kürze des englischsprachigen und die Ausführlichkeit des deutschsprachigen Wikipedia-Artikels – üblicherweise ist dies umgekehrt, zumindest bei ‘Mainstream’-Computerspielen bzw. Spielen die eine gewisse Verbreitung gefunden haben (bei Spielen recherchiere ich üblicherweise zuerst bei Wikipedia oder bei BoardGameGeek).

    Ich glaube, du hattest im Blockseminar schon den Film “Falling Down” (1993) mit Michael Douglas erwähnt, der ein ähnliches Setting hat. “Postal” könnte man hier in der Tradition des “Workplace Rage” oder “Desk Rage” sehen; spannend fände ich hier die sich entwickelnde Rahmengeschichte, da die Gewalttätigkeit anscheinend nicht vorgegeben ist, sondern durch die Ereignisse ‘herausgefordert’ wird. Das wiederum erinnert ein wenig an GTA, wo man sein Geld ja auch mit Taxifahren verdienen kann, das Gangsterdasein aber (meiner Einschätzung nach) wesentlich befriedigender ist.

    Als kulturelles Analyseobjekt ist “Postal” schon spannend: Welches Tabu wurde hier zu welchem Zweck durchbrochen? Wie reagiert die Gesellschaft darauf, welche Argumentationslinien für oder gegen solche Spiele werden hier eröffnet? Welche Tabus bleiben (bewusst) ausgespart? Es gibt ähnliche Phänomene im Film, aber in Spielen ist der Spieler durch seine Entscheidungen und Handlungen eher in der Täterrolle.
    Du erwähntest ja schon z.B. die merkwürdige Diskrepanz in der Darstellung zwischen Gewalt und Sexualität (fällt mir besonders krass bei den Mortal Kombat Spielen auf); ebenso habe ich zumindest im Beispielvideo die Abwesenheit von Kindern bemerkt.

  2. Avatar photo Wey says:

    Ich muss mich korrigieren – für “Postal 2” ist ein umfangreicherer Wikipedia-Artikel vorhanden: http://en.wikipedia.org/wiki/Postal%C2%B2.
    Daraus:
    “The developers of the game countered criticism of the violence by claiming that the amount of violence is up to the players—they may go about their tasks without causing trouble, or they can create mayhem.”

    Das geht in die selbe Richtung wie Molyneux’ Argumentation für das kommerziell erfolgreiche Spiel “Fable”:
    “Mit “Fable” ist da etwas Fantastisches passiert: Ein Verantwortlicher in irgendeinem europäischen Land bekam ein Exemplar, um es hinsichtlich der Altersfreigabe zu bewerten, und es kam zurück als “moralisch wertvoll für alle Altersstufen” – und ich dachte, das kann doch nicht sein, ich meine, sie hacken darin Leuten die Köpfe ab! Wir haben es noch mal hingeschickt und es stellte sich heraus, dass der Mann sich einfach wundervoll und gut benommen hatte im Spiel, er hatte diese schrecklichen Sachen einfach nie gesehen! Er hatte nur Leute gerettet und war nett gewesen! Als dann ein anderer das Spiel zur Beurteilung bekam, war der ein bisschen fieser und es bekam am Ende korrekterweise eine Freigabe für Teenager.”
    – Peter Molyneux (2005), “Hollywood ist der Inbegriff des Bösen”, Spiegel-Artikel
    (siehe Reiter “Spielethik”)

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