Minispiel: “Trau, Schau, Wem”

Dies ist eine Variante des “Scruples”-Spiel, die ich eigentlich mit euch spielen wollte, die hallende Video-Verbindung hat mich aber davon abgehalten…:(

Das Spiel ist im Gegensatz zum Originalspiel mit einer Mechanik zu Gruppeneinschätzung versehen und wäre leicht mit zusätzlichen Karten/Fragestellungen erweiterbar.

Spielmaterial: Beliebig viele Karten mit ethischen Dilemmata, die in einer mit “Ja” oder “Nein” beantwortbaren Frage enden (s.u.).

Hilfsmittel pro Spieler: Münze, Stift, Papier
Spieleranzahl: Vier bis beliebig viele Personen (die Punktevergabe müsste der Anzahl entsprechend angepasst werden)

Spielverlauf: Pro Runde hört sich jeder Spieler ein ethisches Dilemma und die damit verbundene Frage an und entscheidet dann: Wie viele aus der Gruppe werden als Antwort „Ja“ wählen? Die geschätzte Anzahl wird von jedem geheim aufgeschrieben.
Münzen werden danach von allen Spielern verdeckt auf den Tisch gelegt und gemeinsam aufgedeckt: Symbol bedeutet „Nein“ / Zahl bedeutet „Ja“.
Wer die Anzahl der “Ja”-Antworten genau vorhergesagt hat, bekommt zwei Punkte. Wer um eine Antwort daneben lag, bekommt einen Punkt.
Nach drei Runden gewinnt der Spieler mit der höchsten Punktzahl!

Problematisch bzw. Anregung zur Regeländerung: Ethische Dilemmata können selten in einer klaren Ja-Nein-Entscheidung beantwortet werden; dies ist auch eine der Kritiken von z.B. Carol Gilligan am quasi algorithmischen Bearbeiten solcher Dilemmata. Hier wäre eine komplexere Spielmechanik zu Ungunsten der schnellen Spiel- und Erklärbarkeit möglich.

“Heinz’s wife was near death, and her only hope was a drug that had been discovered by a pharmacist who was selling it for an exorbitant price. The drug cost $20,000 to make, and the pharmacist was selling it for $200,000. Heinz could only raise $50,000 and insurance wouldn’t make up the difference. He offered what he had to the pharmacist, and when his offer was rejected, Heinz said he would pay the rest later. Still the pharmacist refused. In desperation, Heinz considered stealing the drug. Would it be wrong for him to do that?”

Das klassische “Heinz”-Dilemma von Kohlberg

“…supposed that he is the driver of a runaway tram which he can only steer from one narrow track on to another; five men are working on one track and one man on the other; anyone on the track he enters is bound to be killed.“

Das klassische “Trolley”-Problem

“A brilliant transplant surgeon has five patients, each in need of a different organ, each of whom will die without that organ. Unfortunately, there are no organs available to perform any of these five transplant operations. A healthy young traveler, just passing through the city the doctor works in, comes in for a routine checkup. In the course of doing the checkup, the doctor discovers that his organs are compatible with all five of his dying patients. Suppose further that if the young man were to disappear, no one would suspect the doctor.”

Eine Variation des Trolley-Problems

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About Wey

My name's Wey-Han Tan, I graduated 2007 as Diplompädagoge (educational scientist) in Hamburg, and 2009 as M.A. in ePedagogy Design. Currently I work at the project "Universitätskolleg" as scientific assistant at the Faculty for Educational Sciences, Psychology and Human Movement at the University of Hamburg. My research interests are game based learning, second order gaming, media theory and (radical) constructivist approaches. I like pen-and-paper-roleplaying, especially in contemporary horror settings like "KULT" or "Call of Cthulhu".
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2 Responses to Minispiel: “Trau, Schau, Wem”

  1. sophiam says:

    Diese Spielmechanik kenne ich aus “Privacy”
    http://de.wikipedia.org/wiki/Privacy_(Spiel) — (ein Brettspiel von Reinhard Staupe, welches im Amigo-Verlag im Jahr 2004 erschienen ist).
    Das Spielprinzip soweit identisch, Antworten werden jedoch anonym und geheim gegeben. Außerdem sind die Fragen/Aussagen keine ethischen Dilemma, sondern meist einfach zu beantwortende Fragen aus dem Leben der Spieler. Zum Beispiel: Hast du schon einmal etwas geklaut?

    Ich empfehle das Spiel nur mit Leuten zu spielen, denen man vertrauen kann. Denn obwohl die Stimmabgabe geheim und anonym verläuft, entwickelt sich oft ein Gespräch über die Frage/Aussage, sodass man gezwungen ist seine Geschichte/Standpunkt zu erzählen.

    Ich spiele das Spiel gerne mit Freundinnen an einem gemütlichen Abend, weil es einige Gesprächsthemen aufwirft und somit einen unterhaltsamen Abend mit viel Kommunikation mitgestaltet.

  2. Avatar photo Wey says:

    Die Spielmechanik ist heute relativ verbreitet, da sie sich gut an Gruppen-Ratespiele anpassen lässt (z.B. beim ‘Spiel des Jahres 2010’ “Dixit”). In ihrer Ursprungsform ist sie relativ alt, das römische “Morra” funktioniert ähnlich: http://de.wikipedia.org/wiki/Morra_%28Spiel%29.
    Durch das Abschätzen, wie die Gesamtheit der Gruppe bzw. deren Mitglieder sich entscheiden, erhält die Spielmechanik ihren Reiz und die taktische Dimension.

    Bei Spielen wie “Therapy”, “Scruples” oder “Privacy” kann man sich theoretisch auch besser kennen lernen – wenn die Fragen nicht zu intim sind; insofern denke ich, ist es nicht nur für gute Freunde interessant.
    Die Spielvariante hier ist etwas ‘harmloser’, als dass sie abstrakte moralische Dilemmata zum Thema hat, also nicht “Hast du schon einmal…” sondern “Würdest du unter bestimmten Bedingungen…”, es gibt also eine Distanz des Spekulativen in den Fragen. Was ich sehr spannend finde an dieser Spielmechanik – wenn es um prinzipiell unentscheidbare Fragen geht (H.v.Foerster) – ist genau das, was du beschreibst: Die Hälfte des Spiels verbringt man mit dem Sich-unterhalten über die Entscheidungen, die man im Spiel getroffen hat!

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