Spielethik

Jedes Spiel beinhaltet bedeutungsvolle Entscheidungen des Rezipienten, eine im Vergleich zu anderen technischen Leitmedien einmalige Eigenschaft des Spiels.
Mit diesen Entscheidungen ziehen auf mehreren Ebenen ethische Fragen in das Spiel ein, die auch mit dem kulturellen Umgang mit Spiel verbunden sind.

“We all make choices, but in the end, our choices make us.”
– Andrew Ryan (fictional character), in his intro to Rapture in Kevin Levine’s game “Bioshock”

Darf ich im Spiel stehlen? Töten? Morden? Ist es erlaubt, wenn die narrative Rahmung dies legitimiert (Krieg, Verteidigung, Befreiung, Überleben) und die Bösewichter – wie in den meisten Videospielen – eindeutig vom Aussehen, Verhalten und der kontextgebenden Beschreibung als solche gekennzeichnet sind? Sollte man hier gesellschaftlich regulieren, aufklären, verbieten?

„Spielprogramme, die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen darstellen und dem Spieler die Beteiligung an dargestellten Gewalttätigkeiten solcher Art ermöglichen.“
– Gesetzesantrag des Freistaats Bayern vom 2. Februar 2007 (Drucksache 76/07), Definition von „virtuellen Killerspielen“

Danny LeDonne’s “Super Columbine Massacre RPG!“, Brenda Brathwaites Spiele der “Mechanic is the Message“-Reihe oder Peter Molyneux’ “Fable” wären damit prinzipiell als ‘Killerspiele’ charakterisierbar. Zu Recht?

„Mitten in dem furchtbaren Reich der Kräfte und mitten in dem heiligen Reich der Gesetze baut der ästhetische Bildungstrieb unvermerkt an einem dritten, fröhlichen Reiche des Spiels und des Scheins, worin er dem Menschen die Fesseln aller Verhältnisse abnimmt und ihn von allem, was Zwang heißt, sowohl im Physischen als im Moralischen entbindet.“
– Friedrich Schiller (1795), “Über die ästhetische Erziehung des Menschen”, Siebenunzwanzigster Brief.

Darf Spiel etwas anderes sein als zweckfreies Spiel, darf es z.B. bewußt vom Designer mit Narrationen und Regelmechanismen (abzielend auf Lehre, Werbung, Propaganda, negative Emotionen) gefüllt werden?
Kann es Kunst sein? Ist Spiel vielleicht bereits Kunst (s. Schiller unter “Spielfunktionen”)?
Darf man im Spiel schummeln, aber nur, wenn es das Spiel selbst erlaubt?

– Brenda Brathwaite (2010) “One Falls for Each of Us” at the Art History of Games Symposium, Screenshot einer Designfolie

“Frankly all the evil quests in the game were much more boring than the good ones, but that just goes to show you crime doesn’t pay, right?”
– Comment on Orrin Lewis website on Baldur’s Gate II: Shadow of Amn

“Ich mag Geschichten über das Scheitern”, sagt Ken Levine ruhig. Auch kurz vor der Fertigstellung des Spiels wirkt er nicht hektisch oder nervös. Gelassen bringt er jeden seiner Gedanken zu Ende: “Das ist eine der ältesten Geschichten der Welt. Wir Menschen ziehen los und erschaffen tolle neue Welten. Aber wir nehmen uns immer mit. Und wenn wir das Verderben an einen Ort gebracht haben, dann folgt es uns auch zum nächsten.”
– GEE Mag, Ken Levine über Bioshock

«The ideology of a game is in its rules, its invisible mechanism, and not only in its narrative parts. Thus a global innovation of this medium will be very difficult.»
– Paolo Pedercini from Molleindustria (translated from German)

“Is the difference between a freedom fighter and a terrorist simply that the person using the terms believes, in one case, the cause is right and not in the other? In these games, such thoughtful questions are not abstractions, they are part and parcel of the fun and interaction of playing.”
– J.P.Gee (2004) in Simon Egenfeldt-Nielsen (2005): “Beyond Edutainment. Exploring the Educational Potential of Computer Games.

«Interactivity is one of the core features that differentiate games from passive media like film. In a game we play a role. Most of the time, the roles we play in games are roles of power. Space marine, world-class footballer or hero plumber. Isn’t it about time we played the role of the weak, the misunderstood, even the evil? If videogames remain places where we only exercise juvenile power fantasies, I’m not sure there will be a meaningful future for the medium.»
– Ian Bogost, Watercooler Games

«Games are perhaps the only medium which allows us to experience guilt over the actions of fictional characters.»
– Will Wright (“The Sims”), quoted in Henry Jenkins (2003), “Meaningful Violence”

«The gap between those who want games to entertain and those who want games to be art does not exist. Because both entail posing questions – tough ones even, ethical ones, even. And games will never mature as long as the designers create them with complete answers to their own puzzles in mind.»
– Raph Koster, “Theory of Fun”

“Manchmal will man einen Guten spielen, und manchmal einen Bösen. Aber der gewaltigste Held, der gewaltigste Bösewicht, den man hinkriegen kann, ist ein persönlicher. Es wird in der Spieleindustrie viel darüber geredet, was moralisch falsch und was richtig ist, was in Spielen vorkommen sollte und was nicht. Es gab diesen großen Wirbel um “Hot Coffee” [eine Modifikation des Spiels “Grand Theft Auto”, Anm. Wey] – ein Sturm im Wasserglas, wenn sie mich fragen – und um Gewalt in Spielen. Was mich interessiert ist: Wenn ich sage, in diesem Spiel haben Sie die Macht, die Ihnen eine geladene Waffe in der wirklichen Welt gibt. Jetzt haben Sie die Wahl – wie kann das schlecht sein? Man kann nicht aus moralischen Gründen sagen “es ist schlecht, ein Spiel zu haben, dass Ihnen diese Macht gibt” – weil wir in der Realität alle diese Macht haben! (…) Die Freiheit ist es, die die Faszination ausmacht. Wenn Sie nach so einem Spiel sagen können: “Ich konnte das einfach nicht tun, ich konnte einfach nicht so böse sein.”
(…)
“Mit “Fable” ist da etwas Fantastisches passiert: Ein Verantwortlicher in irgendeinem europäischen Land bekam ein Exemplar, um es hinsichtlich der Altersfreigabe zu bewerten, und es kam zurück als “moralisch wertvoll für alle Altersstufen” – und ich dachte, das kann doch nicht sein, ich meine, sie hacken darin Leuten die Köpfe ab! Wir haben es noch mal hingeschickt und es stellte sich heraus, dass der Mann sich einfach wundervoll und gut benommen hatte im Spiel, er hatte diese schrecklichen Sachen einfach nie gesehen! Er hatte nur Leute gerettet und war nett gewesen! Als dann ein anderer das Spiel zur Beurteilung bekam, war der ein bisschen fieser und es bekam am Ende korrekterweise eine Freigabe für Teenager.”
– Peter Molyneux (2005), “Hollywood ist der Inbegriff des Bösen”, Spiegel-Artikel

«Interactivity is one of the core features that differentiate games from passive media like film. In a game we play a role. Most of the time, the roles we play in games are roles of power. Space marine, world-class footballer or hero plumber. Isn’t it about time we played the role of the weak, the misunderstood, even the evil? If videogames remain places where we only exercise juvenile power fantasies, I’m not sure there will be a meaningful future for the medium.»
– Ian Bogost, Watercooler Games

„Zur Pädagogik der Postmoderne gehört, daß man sich nicht bei Fragen aufhält, die man sich bei einigem Nachdenken auch selber beantworten könnte. Wenn man schon fragt, dann so, daß die Frage eine neue, noch unentdeckte Schicht der Wirklichkeit freilegt und dann gar keiner unmittelbaren Antwort bedarf.“
– Heinrich Kupffer (1990), „Pädagogik der Postmoderne“, S.29

Joshua (Wargame Simulator) “Wouldn’t you prefer a nice game of chess?”
David Lightman (young male Hacker) “Later. Right now lets play Global Thermonuclear War.”
Joshua “Fine.” (…)
WOPR: “A strange game. The only winning move is not to play”
– Aus dem Film “Wargames”, “Joshua” ist ein Computer des US-Militärs mit Kontrolle über das Atomwaffenarsenal der Vereinigten Staaten

“In (…) World War II games, where is the liberation of the concentration camps? I am looking for the motivation rather than just shooting a bunch of human figures.”
– David Franzoni, Screenwriter, on the DICE-Convention 2006

“Challenge everything!”
– EA-Games-Slogan. Der Spielekonzern reagiert allerdings sehr ungehalten, wenn er selbst herausgefordert wird.

“If your only tool is a hammer, all problems will look like nails.”
Dijkstra, Maslow etc.

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