„You can’t think about something without thinking
about someone thinking about something.”
Seymour Papert, ein von 1958-63 von Jean Piaget hochgeschätzter und geförderter Mitarbeiter, begründete das Konzepts des Konstruktionismus (nicht zu verwechseln mit dem Konstruktivismus), d.h. der Erstellung konkreter Artefakte durch den Lerner; des epistemologischen Pluralismus, d.h. des individuell zu erkennenden, persönlichen Zugangs zu Wissensgebieten; und sprach sich für die Förderung systemischen, ganzheitlichen Verstehens und Handelns im Unterricht aus, wie er sie z.B. im Ansatz der Mathetik beschreibt.
Ein wichtiger Punkt für alle diese Forderung war die Erstellung von (Lern)Spielen durch die Lerner selbst sowie das aufbauende und experimentierende Spiel mit elektronischem oder digitalem Spielzeug, z.B. mittels der einfachen Programmiersprache LOGO oder dem programmierbaren Bauspielzeug Lego Mindstorms (s.Bild), das in Zusammenarbeit mit ihm entstand.
Seine Kritik an bisherigen Lehrmethoden – auch an kognitivistischen und moderat konstruktivistischen und deren re-konstruktive Lernspielen – lautet:
„The teacher is in control and is therefore the one who needs skill; the learner simply has to obey instructions. This asymmetry is so deeply rooted that even the advocates of ‚active’ or ‚constructivist’ education find it hard to escape. There are many books and courses on the art of constructivist teaching, that talk about the art of setting up situations in which the learner will ‚construct knowledge’. […] The how-to-do-it literature in the constructivist subculture is almost as strongly biased to the teacher side as in the instructionist subculture.“
– Seymour Papert (1996) „A Word for Learning“, S.10
Als Lösung verfolgen Papert – und seine Mitarbeiter wie z.B. Turkle, Wilensky, Gargarian, Kafai, Resnick – die Konstruktion durch den Lerner. Und zwar sowohl konzeptueller als auch physischer Art, aber immer mit einem starken persönlichen Bezug. Der Lerner konstruiert aus dem Interesse an der Konstruktion und dem Wunsch, diese mit anderen zu teilen:
„Einer meiner zentralen mathetischen Grundsätze ist, daß die Konstruktion „im Kopf“ häufig dann besonders gut gelingt, wenn sie in einer sichtbaren Konstruktion „in der Welt“ Unterstützung findet – einer Sandburg oder einem Kuchen, einem Legohaus oder einer Firma, einem Computerprogramm, einem Gedicht oder einer Theorie des Universums. Mit „in der Welt“ meine ich auch, daß das Produkt gezeigt, diskutiert, geprüft, erprobt und bewundert werden kann. Es ist von außen sichtbar.”
– Seymour Papert (1994), „Revolution des Lernens“, S.158
Die Konstruktion ist deshalb so gut geeignet, da Probleme sich aus der jeweiligen Konstruktionstätigkeit heraus selbst ‘stellen’ und nicht vorgegeben werden müssen;
„In designing there is no way to plan a path toward a solution if what constitutes a
solution is, itself, under debate. The solution to designing is emergent rather than planned because the designer is learning what a „problem“ is about during the design process. Moreover, he is developing new skills for improving his design process […].“
– Gargarian (1996), „The Art of Design“, S.130
Es geht bei der Konstruktion eines Spiels – genau wie im Spiel selbst – immer auch um die bedeutungsvolle Wahl, um konsequenzenreiche Entscheidungen:
„When people construct objects in the world external to them, they are forced to make explicit decisions about how to connect different pieces of their knowledge. How does one representation fit with another? Which pieces of their knowledge are the most basic? Which are important enough to incorporate into the construction, and which can be safely left out? Which really matter to them and which don’t engage them at all? The constructionist paradigm, by encouraging the externalization of knowledge, promotes seeing it as a distinct other with which we can come into meaningful relationship.“
– Uri Wilensky (1993), „Abstract Meditations on the Concrete and Concrete Implications for Mathematics Education“, S.202
Im “Konstruktionsspiel” geht es auch um das Experimentieren, Scheitern und Nachkorrigieren aus der Handlung heraus. Das Verständnis wächst aus der Spielhandlung, es gibt keinen Bauplan, der Verständnis voraus setzt und dann nur umgesetzt werden müsste:
„The bricoleur scientist does not move abstractly and hierarchically from axiom to
theorem to corollary. Bricoleurs construct theories by arranging and rearranging, by negotiating and renegotiating with a set of well-known materials. […] Bricoleurs use a mastery of associations and interactions. For Planners, mistakes are missteps; bricoleurs use a navigation of midcourse corrections.“
– Sherry Turkle und Seymour Papert (1993), „Epistemological Pluralism“, S.168 f.
Dieses Verständnis betrifft prinzipiell jedes ‘Baumaterial’ – nicht nur Bauklötze oder elektronisches Spielzeug, auch Gedichte, Computerprogramme, Spiele, Gesellschaften; kurz, alles, was sich durch das Individuum oder Gemeinschaften ausdrücken lässt. Es geht insbesondere auch um Prozesse und Systeme, zwei bisher im Unterricht vernachlässigte Konstruktionen.
„The ability to ‘read’ a medium means you can access materials and tools generated by others. The ability to ‘write’ in a medium means you can generate materials and tools for others. You must have both to be literate. In print writing, the tools you generate are rhetorical; they demonstrate and convince. In computer writing, the tools you generate are processes; they simulate and decide.”
– Alan Kay, zitiert in Wardrip-Fruin und Montfort (2003), „The NewMedia Reader“, S.392
Der kindgerechten Programmiersprache LOGO – als eine Art Baukasten für das Computerzeitalter – folgten andere Projekte, die Kindern das einfache Experimentieren mit und Herstellen von systemischen Artefakten erlaubt, so z.B. Lego Mindstorm oder Squeak.