Dies ist eine Antwort auf Saskias Beitrag
“Sind Spiele bzw. ist Spielgestaltung im Kunstunterricht möglich?”
Spiele im Kunstunterricht als Grundlage für Entdeckendes Lernen
Für den Kunstunterricht könnte man bei jüngeren Kindern den theoretischen Teil zu Gunsten des praktisch-forschenden Teils etwas zurück nehmen – an dessen Ende kann ja tatsächlich auch eine persönliche Theorie des Spiels stehen.
Ich finde die Kombination aus Forschen-Umsetzen gerade für den Unterricht sehr interessant: Entdeckendes Lernen (Jerome Bruner) führt in diesem Fall ein in eine quasi wissenschaftliche Annäherung an ein Thema, mit einer anschließenden konstruktiven, konstruktionistischen Rückübersetzung und Anwendung in ein spielbares Spiel!
Aus Beobachten (woraus bestehen Spiele, was macht Spaß?) und Sammeln (jede/r kann zu den Beobachtungen beitragen, jeder kennt oder mag unterschiedliche Spiele), Abstrahieren, Ordnen und Bennnen (Gibt es wiederkehrende Geschichten, was bleibt vom Spiel an möglichen Handlungen, wenn Gestaltung und Geschichte abgelöst sind?) folgt dann die Anwendung (Wie bastelt man aus diesem Baukasten nun ein neues Spiel, das Spaß macht?)…
Die Übungen zum Spieldesign, die wir im Seminar durchgeführt haben (Spielminimalisierungen, Spielanalyse, Wechsel von narrativen oder regulativen Elementen, kreative Umdeutungen zum Spielmaterial, Umsetzen von Motiven in Spielmechanik oder -narration) sind diesem Aspekt zuzuordnen: Sich anhand von konkreten, interessanten Einzelfällen bewußt werden, was das Besondere an einem Spiel oder einer Kategorie von Spielen ist und wie es/sie ‘funktioniert’ – und danach das Abstrahierte in ein konkretes Spiel verändert rückzuübersetzen und gemeinsam zu spielen.
Hier sind ein paar Literaturtipps für den Aufbau solcher Übungen. Die Bücher mit Übungen richten sich prinzipiell alle an ‘erwachsene’ Spieldesigner, d.h. an Kinder mit Verständnis für den Umgang mit abstrakten Regeln (die Phase formaler Operationen nach Piagets Entwicklungsstufenmodell). Heute wäre das vermutlich ab der 5.-6. Klasse der Fall. Die Bei-Spiele und Übungen lassen sich aber bestimmt auch für jüngere Kinder abwandeln – es wäre interessant, so etwas einmal zu versuchen.
Zum Spieldesign:
- Katie Salen & Eric Zimmermann (2004), “Rules of Play. Game Design Fundamentals.”
- Tracy Fullerton (2008), “Game Design Workshop – A Playcentric Approach To Creating Innovative Games.”
- Brenda Brathwaite & Ian Schreiber (2009), “Challenges for Game Designers.”
- Raph Koster (2005), “Theorie of Fun.”
Zu den beiden passenden lerntheoretischen Ansätzen “Entdeckendes Lernen” und “Konstruktionismus” diese Bücher:
- Idit Harel und Seymour Papert (Hrsg.) (1993), “Constructionism.”
- Yasmin Kafai und Mitchel Resnick (Hrsg.) (1996), “Constructionism in Practice – Designing, Thinking and Learning in a Digital World.”
- Jerome Bruner (2006), “In Search of Pedagogy. The Selected Works of Jerome S. Bruner.”, zwei Bände
Theorien des Spiels (siehe Literatur bzw. Zitate bei Funktion & Struktur) sind meiner Ansicht nach für den Unterricht z.B. in höheren Jahrgangsstufen interessant, als dass sie darstellen, wie vielschichtig ein allgegenwärtiges ästhetisches und kulturelles Phänomen von der Struktur und der Funktion her betrachtet wird – und wie stark die Deutung von der Intention und Sichtweise des Betrachters abhängt. Hier könnte man einsteigen bei den Themen “Killerspiele”, typische (?) “Mädchen”- und “Jungs-Spiele”, Glücksspiel und Spielsucht, Leistungs- und Profisport etc.
Um die Grenzen von Spielen als Grundlage zur Erklärung komplexer sprachwissenschaftlicher und ästhetischer Themen auszuloten, empfehle ich “How Board Games explain everything” – die Serie richtet sich eher an Studierende der Geistes- und Kunstwissenschaften. Aber “Calvin und Hobbes” kommen darin vor…
Saskia: Eine Idee für ein Projekt
Falls du Interesse in dieser Richtung hast, wäre eine Konzeption einer Unterrichtseinheit zum Thema “Spiel(design) im Kunstunterricht” etwas, was auch ein spannendes Projekt abgeben würde – und ich würde so etwas jedenfalls gerne einmal aus deiner Sicht verwirklicht lesen! Dieses Seminar baut darauf, dass ihr euch das Thema aneignet, d.h. etwas für euch relevantes schafft. Es geht hier ja nicht nur um Theorien, Übungen und die Herstellung eines Spiels – sondern dass ihr damit etwas persönlich Sinnvolles und Interessantes für euch schafft!