Wey: Methodik des Spieldesigns am Beispiel einer Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Variante

Jede Spielentwicklung ist anders, aber ich versuche hier mal ein Beispiel zu geben, wie meine Spielidee um eine weitere Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Variante allmählich Gestalt annimmt. Dabei decken unterschiedliche Spieldesignmethoden unterschiedliche Zielvorgaben ab: Das Spiel soll eine andere Narrationsform bekommen (Skinning) und daran angepasst andere bzw. mehr Regeln (Modding) erhalten. Es wird dadurch komplexer, soll aber trotzdem noch ausbalanciert im Spiel sein (Akkretion und Tuning). Durch die Übertragung massenmedial präsenter Narrationen (Filmclichés) in eine Regelform geschieht ebenfalls eine – wenn auch sehr simple – transmediale Übertragung.
Die Idee eines postmodernen Mashup von MÄDN wurde inspiriert von den unübertrefflichen TV-Tropes sowie Mark A. Rayners ebenso simplen wie faszinierenden Stein-Schere-Papier-Variante.

Ursprüngliche Spielidee

Es handelt sich um eine Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Variante, in der die Spieler Roboter, Zombies, Ninjas und Piraten mit jeweils unterschiedlichen Zug-, Schlag- und Abwehreigenschaften spielen können. Es geht um die Verwandlung eines abstrakten Spieleklassikers (narrative Elemente nur via Mikronarration im Titel und Assoziation des Verhaltens Flucht-Jagd-Rennen) in ein Spiel mit unterschiedlichen Vantage-Point-Narrationen, die die Phantasie der einzelnen Spieler anregen, was da gerade für Streitigkeiten unter diesen popikonischen Parteien ausgetragen werden. Das Spiel würde dadurchz.B.  für Kinder attraktiver und abwechslungsreicher.

Sollte die Spielidee greifen bzw. die Mechanik funktionieren, liesse sich eventuell auch eine Polit-satirische Variante herstellen, die auf die spezifischen Strategien bzw. Parteiprogramme der Parteien abgebildet werden kann (obwohl die großen Parteien sich mittlerweile über ihre Profilierung teils schwer voneinander unterscheiden lassen).

Designherausforderung

Die Spielparteien müssen sorgfältig von der Spielstärke, den Stärken und Schwächen der Rollen, gegeneinander ausgeglichen werden. Das ist bei vier Parteien (oder mehr – Vampire, Affen, Werwölfe, Banker etc. könnten z.B. noch dazu kommen) eine komplexe Aufgabe, die einiges an Probespielen (mit einem noch unausgewogenem Spiel!), Akkretion und Tuning erforderlich macht: Wie beim Tarieren einer Waage müssen einzelne Spielmechanismen hinzugefügt, modifiziert oder wieder entfernt werden, bis sich ein Gleichgewicht zwischen den Parteien einstellt.

Versuch eines Lösungsansatzes

Idee: Variable Spielfeldzusammensetzung, variable bzw. auch gedoppelte Rollenwahl durch die Spieler.

Das Spielbrett wird aus rollenpezifischen Segmenten zusammen gestellt (quadratisch, ca. 12 x 12 cm; z.B. Nachtlandschaft, zerstörte Stadt, Piratenschiff, Raumhafen, Schloß, Dschungel), jede Partei hat dort, wie beim klassischen MÄDN, ihre vier Start- und Zielfelder sowie 10 allgemein zugängliche Bewegungsfelder. Die Segmente werden an Verbindungsfeldern zusammen gelegt. Dadurch sind variable Spielpläne für 2 bis 6 (oder mehr) Spieler möglich. Die Vorteile:

  • Variable Spieleranzahl und daran angepasster Spielplan ohne die Nachteile der Positionierung ‘leerer’ Spielsegmente wie beim üblichen MÄDN.
  • Variable Spielpläne sorgen für Variation des Spielerlebnisses und lassen sich ggf. erweitern, z.B. um reine ‘Lauf’-Segmente, Hindernisparcours etc.
  • Das Spiel wäre im Nachhinein auch durch Dritte erweiterbar, die ihre eigenen Ideen für Rollen in den Grundspielmechanismus einfügen könnten. Pappfiguren, Zusatzspielfeldsegmente und -regeln liessen sich einfach per Internet austauschen und ausdrucken.
  • Wenn eine Präferenz für eine bestimmte Rolle besteht, können auch mehr als zwei Piraten, Zombies etc. auf dem selben Plan gespielt werden; eine geschickte Reihenfolge der Rollenwahl vor Spielbeginn kann so Ungleichheiten der Spielmechanik ein wenig abfangen. Rollen könnten durch das kartenähnliche Ziehen der Spielfeldsegmente auch zugelost werden.
  • Das Probespielen wäre vermutlich etwas lustiger und – im Sinne der Akkretion, d.h. der allmählichen Zugabe komplexitätserhöhender Spielelemente – auch als Designfeedback beherrschbarer (d.h. zuerst nur zwei Parteien tunen, dann zwei weitere, drei in Kombination, vier etc.)
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Über Wey

My name's Wey-Han Tan, I graduated 2007 as Diplompädagoge (educational scientist) in Hamburg, and 2009 as M.A. in ePedagogy Design. Currently I work at the project "Universitätskolleg" as scientific assistant at the Faculty for Educational Sciences, Psychology and Human Movement at the University of Hamburg. My research interests are game based learning, second order gaming, media theory and (radical) constructivist approaches. I like pen-and-paper-roleplaying, especially in contemporary horror settings like "KULT" or "Call of Cthulhu".
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4 Antworten zu Wey: Methodik des Spieldesigns am Beispiel einer Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Variante

  1. janos sagt:

    Die Idee mit dem variablen Spielbrett gefällt mir .

    • Avatar-Foto weytan sagt:

      Hehe… kann ich mir vorstellen. 😉

      Pervasive Spiele haben ja, wenn sie räumliche Grenzen auflösen, fast automatisch ständig wechselnde “Spielpläne”…

  2. Nina sagt:

    Die Idee an sich klingt echt super, vielleicht sollte man es mal umsetzen und ein bisschen Wind in das Spiel reinbringen 🙂

    Lieben Gruß, Nina

    • Avatar-Foto weytan sagt:

      Danke… bin dabei!
      Ich denke, ich werde die potenziellen Eigenschaften als erwerbbare ‘Charaktereigenschaftskarten’ zu einem separaten Spiel verarbeiten, um zu sehen, wie sich diese im Verhältnis zueinander darstellen. Da die Regelzuweisungen zu den Charakteren in der ursprünglichen Spielidee doch relativ statisch ist, wäre etwas Tuning im Vorfeld angebracht.

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